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WM-Erkenntnisse aus Ostrava: Was Deutschland fehlt

LAOLA1-Scout Bernd Freimüller beobachtet bei der Eishockey-WM in Ostrava Gruppe B rund um Deutschland, Schweden und USA. Seine Erkenntnisse:

WM-Erkenntnisse aus Ostrava: Was Deutschland fehlt Foto: © GEPA

Mein letzter von drei Spieltagen in Ostrava fiel ausgerechnet mit dem Jahrhundert-Spiel Österreichs gegen Kanada zusammen.

Aber auch diese Gruppe war einige Erkenntnisse wert:

Der herbe Charme der ehemaligen Kohle-Stadt Ostrava ist nicht jedermanns Sache, Prag wäre für Spieler und Fans sicher die erste Destination gewesen.

Doch neben den Letten, Schweden und Deutschen, die überallhin reisen, bot sich diese Stadt natürlich für die polnischen und slowakischen Fans an - die polnische Grenze ist zehn Minuten, die slowakische 50 Minuten entfernt. Die Zuschauerzahlen in der Ostravar Arena reichten auch von sehr gut bis ausverkauft.

Das sportliche Niveau?

Die Gruppe, in der Österreich nicht spielt, ist immer die leichtere, das habe ich über Jahre schon gelernt. Aber Polen, Kasachstan, Frankreich und Lettland dürften wirklich um eine Kleinigkeit niedriger angesiedelt sein als Großbritannien, Norwegen, Dänemark und Österreich.

Die Kasachen sind für Scouts natürlich ein Nullsummenspiel, alle ihre Spieler spielen in der KHL oder der eigenen Liga und daran wird sich nichts ändern.

Lettland? Schön langsam wird das Team jünger – Kapitän Kaspars Daugavins (mit zwei OT-Toren) und Defender Oskars Cibulskis sind mittlerweile die einzigen Vertreter der Generation 35+. Auch dabei zwei Ex-Villacher: Winger Renars Krastenbergs (einer der wenigen Spieler ohne Gardemaß) kommt überraschend sogar im PK zum Einsatz. Goalie Kristers Gudlevskis musste sich zunächst hinter Elvis Merzlikins (der einzige NHLer) anstellen, glänzte aber gegen die Kasachen beim 2:0-Sieg.

Aufsteiger Polen verbeißt sich wie immer in seine Gegner, ein Punkt gegen Lettland ist die bisherige Ausbeute. Aber hält die Kraft bis zum Ende? Die Kombination von überschaubarer Offensive mit fragwürdigen Goalieleistungen ist keine gute, alles andere als der Wiederabstieg würde überraschen. Mit dem 20-jährigen Winger Krzysztof Macias steht wenigstens ein interessanter junger Spieler im überalteten Aufgebot (Durchschnittsalter über 30 Jahre). Mir wären vor dem Turnier die Polen als Gruppengegner lieber gewesen als die Briten und davon weiche ich auch nicht ab…

Bei Frankreich kehrten Defender Yohann Auvitu und Forward Stephane da Costa nach einer Pause wieder ins Nationalteam zurück, die KHL-Stationen (da Costra gehört dort schon zum Inventar) wurden ihnen vergeben. Neben da Costa ebenfalls ein Schlüsselspieler: Pierre-Edouard Bellemare ist in der NHL (Seattle Kraken) der Inbegriff eines Viertlinien-Arbeiters, für Frankreich centert der 39-jährige aber die Paradelinie.

Die Slowaken spielten nach der Auftaktniederlage gegen Deutschland ein solides Turnier, auch wenn sie gegen die USA eine 4:1-Führung noch aus der Hand gaben. Montreal-Winger Juraj Slafkovsky präsentiert sich wie so oft zwischen Genie und Wahnsinn, brillanten Plays folgen defensive Leichtsinnsfehler. Defender Simon Nemec (New Jersey) legt sein Spiel weit ruhiger an, der 20-jährige spielt mittlerweile seine vierte (!) WM. Jedes Mal, wenn ich dem mittlerweile 30-jährigen Verteidiger Peter Ceresnak zusehe, frage ich mich, wie er über die Jahre dem NHL-Radar entgangen ist.

Was Deutschland am meisten fehlt

Deutschland kam nach reichen Jahren gegen die USA und Schweden (zweimal 1:6) arg unter die Räder. Ohne Leon Draisaitl und Tim Stützle fehlen zwei Ausnahmestürmer, am meisten geht aber Defender Moritz Seider ab: Seine fast fehlerlosen 25 Minuten pro Spiel müssen von schwächeren Kollegen übernommen werden, da auch Leon Gawanke nicht zur Verfügung steht.

Bezeichnend auch für die Unterschiede zwischen dem Vorjahr und heuer: Center Wojciech Stachowiak spielte im letzten Mai eine ausgezeichnete WM aus dem Windschatten heraus, heuer müht er sich mit einer größeren Rolle ziemlich ab. Aber selbst bei solchen Problemen (dazu kamen noch Verletzungen von Schlüsselkräften während des Turniers) verfügen die Deutschen über genug Tiefe für die Top-4 der Gruppe, was auch das 8:1 gegen Lettland bestätigte.

Alles was man über die Schweden wissen muss, ist die Defensive: Erik Karlsson, Victor Hedman (wirkt als ob er drei Meter groß wäre) und Rasmus Dahlin sind eine Verteidiger-Troika, wie sie sonst niemand in diesem Turnier aufweisen kann und die sie zu den Top-Favoriten stempelt.

Die USA stellt wie immer in den letzten Jahren ein sehr junges Team, lediglich der 36-jährige Defender Jeff Petry ragt hier heraus. Bemerkenswert Winger Brady Tkachuk, der gegen die Slowakei mit seinem physischen Spiel die ganze Halle gegen sich aufbrachte und nun wohl Staatsfeind Nr. 1 ist. Eine Rolle, die er wie immer zu zelebrieren schien…

Die Titelträger der bisherigen Eishockey-Weltmeisterschaften


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